Freitag, 3. Februar 2012

Gott - I. Die Erkenntnis Gottes (3)

Geistesblindheit durch Abkehr von Gott

Wenn du sagst: "Zeige mir deinen Gott!", so möchte ich dir antworten: "Zeige mir den Menschen in dir, und ich will dir meinen Gott zeigen!"

Zeige mir also, dass die Augen deiner Seele sehen und die Ohren deines Herzens hören! Die mit ihren leiblichen Augen Sehenden nehmen die Vorgänge im Erdenleben wahr und unterscheiden zugleich die verschiedenen Erscheinungen, ob Licht oder Finsternis, ob etwas weiß oder schwarz, mißgestaltet oder wohlgestaltet, harmonisch und ebenmäßig oder unharmonisch und ohne Ebenmaß oder über das Maß hinaus oder einseitig ist; in gleicher Weise unterscheidet man bei Dingen, die unter das Gehör fallen, ob ein Ton hoch oder tief oder angenehm ist.

So verhält es sich auch mit den Ohren des Herzens und den Augen des Geistes, wenn es sich um die Möglichkeit handelt, Gott zu schauen. Gott wird von denen gesehen, die imstande sind, ihn zu sehen, d.h. wenn sie die Augen ihres Geistes offen halten. Denn es haben zwar alle ihre Augen, aber bei einigen sind sie getrübt: sie sehen deshalb das Licht der Sonne nicht. Und wenn die Blinden nicht sehen, so folgt daraus gewiß nicht, dass die Sonne nicht scheint, sondern die Blinden müssen sich und ihren Augen die Schuld zuschreiben. So hast auch du, Mensch, infolge deiner Sünden und schlechten Handlungen getrübte Augen.

Die Seele des Menschen ist rein wie ein blanker Metallspiegel. Wenn Rost auf dem Metallspiegel liegt, kann man das Antlitz des Menschen im Spiegel nicht sehen; so kann auch, wenn die Sünde im Menschen ist, ein solcher Gott nicht sehen. Zeige also dich selbst, ob du kein Ehebrecher, kein Unzüchtiger, kein Dieb, kein Räuber, keine Wegelagerer, kein Jugendverderber, kein Mann der Gewalttat, ob du nicht schmähsüchtig, zornmütig, neidisch, prahlerisch, argwöhnisch, ein Raufbold, ein Geizhals, ungehorsam gegen die Eltern, ein Verkäufer deiner Kinder bist. Solchen, die derlei tun, erscheint Gott nicht, wenn sie sich nicht zuvor von allem Schmutz reinigen. Alles das verdunkelt dich wie das Eindringen eines Splitters ins Auge, dass es das Licht der Sonne nicht schauen kann. So umgibt dich, Mensch, die Abkehr von Gott mit Finsternis, dass du Gott nicht sehen kannst.

Theophilus von Antiochien: An Autolykus I,2

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen